Freitag, 17. September 2010

Tag 6: "Lichterspiele"

Der Tag, Mittwoch 15.09.2010, begann mit Sonnenschein, sodass wir endlich mal wieder draußen frühstücken konnten. Das ganze Szenario wurde auf einem Fleckchen Sonne aufgebaut und wir zogen die Blicke sämtlicher Nachbarn auf uns, als wir dort mit Teekanne, Toastrack und Porzellantellern saßen. Es war noch recht früh für unsere Verhältnisse, als wir uns auf den weiteren Weg nach Westen machten. Der Weg vom Campingplatz Golden Cap war eine der berüchtigten „single track“ Straßen von hohen Hecken und Bäumen umsäumt, wirklich malerisch und so weiter, wenn man mit einem Fahrzeug in der Größe eines normalen PKW oder mit dem Fahrrad unterwegs ist. Jedoch für Schakkeline und Fahrzeuge ihre bescheidenen Dimensionen noch überschreitend, wird eine solche Route zu einer echten Herausforderung. Alle paar Meter sind die Fahrbahnen durch kleine Buchten erweitert worden, damit sich eben zwei entgegenkommende Fahrzeuge jeglicher Größe ausweichen können. So passierte es auch auf unserem Weg zurück zur Hauptstraße. Es waren zwei Autos die uns entgegen kamen. Wir hielten an einer der Buchten, fuhren schrappend nah an die geheckte Botanik heran und warteten. Der erste entgegenkommende Wagen blieb abrupt stehen und die sich hinterm Steuer befindliche Frau, Dame wäre hier zu viel gesagt, starrte mit entsetzten Augen auf die für sie bereitstehende Passage. Zweifellos hätte da eine zweite Schakkeline durch gepasst, oder zumindest mit ein bisschen mehr Einsatz auch das Vehikel der Dame, dass die Größe eines Opel Corsas nur minimal überschritt. Nun aber, von blanker Panik ergriffen, schien die Fahrerin ihre eigene Lösung für das Problem gefunden zu haben. Nach dem Starrmoment, der etwa 10 Sekunden andauerte, rammte sie ihrem Gefährt den Rückwärtsgang in die Eingeweide und bewegte sich in die entgegengesetzte Richtung. Was nun folgte, war ein Heidenspass!! Dass die Fahrkünste der Englischen Bevölkerung vielfach zu wünschen übrig lassen, wurde uns auch hier vorgeführt. Dass die Lenkung beim Rückwärtsfahren nicht umgekehrt funktioniert, schien der Frau nicht bekannt gewesen zu sein.
Die Hecken, sowohl rechts als auch links, erfuhren erhebliche Rammschäden, denn die Fahrerin vermochte ihr Fahrzeug nicht auch nur einen Meter gerade rückwärts zu setzen. Wildes Umeinandergelenke und verbissene Blicke abwechselnd in den Rückspiegel und in unsere Richtung trugen zum Amüsement nachhaltig bei. Um unsere Freude an dem Spektakel  und vor allem den Druck auf die Kunstfahrerin ein wenig zu erhöhen, fuhren wir gemütlich vorwärts rollend in einigen Metern Abstand „hinter“ ihr her, aber nur gerade mit soviel Abstand, dass sie unsere immer freundlich (eigentlich schadenfroh und hämisch)grinsenden Gesichter und wir ihren Wut- und Panikschaum einwandfrei erkennen konnten. Als sie bald eine Ausbuchtung erreichte, ob sie diese zuvor selbst ausgebaucht hatte oder ob sie schon vorher da war, lassen wir an dieser Stelle unbeantwortet; es wäre durchaus möglich, dass die Fahrkünste dieser Frau im Allgemeinen von einer großen Kurvenfreudigkeit zeugen.
Als wir jedenfalls am Ende dieser Vorstellung uns mit einem winkenden Gruß bei ihr für diese nervliche Aufopferung bedankten, stierte sie lediglich nach vorne auf die Straße, ohne uns auch nur eines Blickes zu würdigen. Im Übrigen hätte diese Person perfekt das Image einer Deutschen Beamtin als Halbtagskraft erfüllt…
Nun fuhren wir also weiter Richtung Westen, nämlich nach Exeter und Exmouth. Die Fahrt verlief bis dahin eher spektakulärlos. Wir wollten eigentlich das komfortable Park& Ride System nutzen, um in die Exeter City zu gelangen. Wir fuhren zielstrebig auf den dafür vorgesehenen Parkplatz zu, nur um dann festzustellen, dass die maximale Durchfahrtshöhe bei 2.20 Metern lag. Widersinnig, wie wir fanden, denn soll man nun mit einem Riesenvehikel gezwungen sein, durch die Stadt zu kreuzen, nur um dann vor einer zu niedrigen oder zu schmalen Brücke zu scheitern, während hinter und vor einem sich die Fahrzeuge aneinander reihen und geduldig auf das Weiterfahren warten -wobei die Engländer dafür ja das Gen haben, und man selbst  schweißgebadet versucht auf gefühlten 2 Quadratmetern  in 67 Zügen zu wenden!? Also umkreisten wir den Parkplatz mehrfach, in der Hoffnung irgendwo einen höheren Zugang zu finden. Auch die Polizei, die wir an einer Ampel neben uns antrafen, wusste keinen Rat. Resigniert entschieden wir, dass wir erstmal unseren neuen Stellplatz in Exmouth aufsuchten würden, um von dort aus in Richtung Exeter mit der Bahn zu fahren.

Pratthayes Farm lag in dem ländlichen Teil zwischen Exmouth und dem Ortsteil Sandy Bay (als Erholungssuchender sei dieses Areal weiträumig zu meiden, denn was man hier vorfindet, ist Kinderbespaßung durch Abenteuerspielplätze und Streichelzoos, während die Erwachsenen sich in den Vorgärten ihrer festinstallierten Wohnwagen (pavillonartig) gestaltungstechnisch übertrumpfen konnten. Grauenvoll!! Wir wussten zunächst nicht wohin mit unserem Verstand und sahen einfach nur zu, dass wir alsbald als möglich eine Wendemöglichkeit fanden.
Das große Einfahrtstor mit „SANDY PARK“ hätte uns schon stutzig machen sollen.
Unsere Farm war, wie nicht anders zu erwarten, über eine Single Track Lane zu erreichen. Diesmal ohne Gegenverkehr erreichten wir das Gatter und waren gleich von der Übersichtlichkeit angetan. Wir hatten Glück und bekamen noch einen Stellplatz für eine Nacht.
Wenig später, nachdem wir die obligatorischen Verkabelungen vorgenommen hatten, holten wir die Fahrräder vom Gepäckträger und radelten gemütlich Richtung Exmouth Bahnhof. Anders als gemütlich wäre es ohnehin nicht gegangen, denn der Weg am Meer und dem Sandstrand vorbei, war sehr windig.
Zeitlich passte es alles perfekt, denn kaum hatten wir unsere sehr günstigen Fahrkarten erstanden, konnten wir auch direkt in die Bahn steigen. Es dauerte etwa 30 Minuten, man hielt an jeder Milchkanne, bis wir in Exeter ankamen.
Die Stadt Exeter ist ganz schön, wenn auch nicht herausragend besonders. Allerdings ist der Kern um die Kathedrale sehr ursprünglich und vielfältig in den Epochen.
Uns war dieser Bereich natürlich auch aus sämtlichen Rosamunde Pilcher Filmen bekannt. Was uns jedoch erstaunte, war, dass gerade die Kathedralen-Vorgrünflächen zahlreich von Menschen okkupiert wurden, die sich dort sammelten, unterhielten, Mittagspause machten. Interessanterweise ist in den Filmen nicht eine Menschenseele dort zu entdecken, oder eben nur in weiter Ferne.
Auch das elegant-sportliche Parken am Fahrbahnrand macht das Z.D.F. möglich, in Wirklichkeit wäre das absolut unmöglich! Die Produktion muss eine große Macht über die Englischen Behörden haben, dass man wegen einer 2-Minuten Szene  das ganze Stadtzentrum und -leben lahmlegen kann. Erstaunlich! Denn erfahrungsgemäß geht dann in England gar nix mehr und es wird aus Panik erstmal eine Schlange gebildet.
Gegen 18 Uhr nahmen wir die Bahn zurück nach Exmouth und radelten wieder gemütlich, diesmal aber wegen berghoch, zum Stellplatz zurück.
Wir wollten uns einen entspannten Abend machen. Somit entkorkten wir einen weiteren Prosecco und wollten –nur um zu gucken- das Internet über unseren Superstick anwerfen. Wir fanden den Stecker jedoch nicht und krempelten alle Taschen und Inhalte um. Immerhin war dies ein Wohnmobil, es gab nicht sehr viele Orte wohin etwas verschwinden konnte.
Ratlos schauten wir hinter jede Spalte und Ritze die sich ausmachen ließ –und wir entdeckten den Stöpsel HINTER der gepolsterten Verkleidung bei der Sitzgruppe. Nun ist diese Verkleidung nicht als Ablagefläche gedacht und reichte damit bis auf den Fußboden.
Der Schock war groß. Unser Starrmoment dauerte etwa 3 Minuten, in der wir uns zitternd und schwitzend anblickten und eine Lösung ersannen. Mit allen Mitteln die sich uns boten, Werkzeug zum Auseinanderbauen der Heizungsanlage und Holzverkleidung hatten wir nicht, kreierten wir Behelfsmaßnahmen. Wir haben schließlich nicht umsonst soviel Gepäck, es musste ja zu was gut sein…
Wir klappten also die Bänke hoch und stocherten wild in den sämtlichen uns erkennbaren Öffnungen herum. Unsere Hände fanden sich an Lüftungsrohren und Stromkabeln wieder. Mit der Taschenlampe funzelte die eine in die Öffnung, damit die andere sehen konnte, ob das ein ganzer hohler Raum ist, der sich dahinter verbarg.
Pia beherrschte die Kunst des Armverlängerns und kroch, mit der Größe klar im Vorteil, in die ausgeräumte linke Sitzbank und schob ihren linken Arm bis zum Anschlag oder Kribbelmoment, in die Öffnung, während Katrin von oben Licht gab, einen Regenschirm in den Spalt schob und darin herumrührte bis die ersehnten Gegenstände Pias Fingerspitzen erreichten.
Es fanden sich allerdings nicht nur Rohre und Kabel sowie unser Internetstecker wieder, sondern auch einer von Pias neuen Haarreifen; allesamt in Gesellschaft eines blinden Passagiers, der schon seit einer geraumen Zeit im Wohnmobil mit zu fahren pflegte. Zunächst für Batman gehalten, wurde er aber dann zu einem lila Power Ranger. Seine dauerhafte Kamphaltung wirkte nunmehr jedoch nicht mehr so bedrohlich, fehlten ihm doch ein Fuß und der linke Arm.
Schweiß gebadet und selig die einzige, wenn auch miserable Verbindung ins Internet wiedergefunden zu haben, waren wir lediglich nur erschüttert darüber, dass wir eine uns bisher vorenthaltene Stauraumfläche entdeckt hatten, nämlich die unter den rechten Sitzbank. Die hatte uns der Wohnmobilvorstellungsangestellte namens Rüdiger als Tanklager erklärt und gar nicht erst geöffnet. Jetzt hatten wir endlich einen Platz für unsere Gummistiefel und Regenschirme, letzteres übrigens nicht umsonst mitgenommen, wie wir heute feststellen konnten, und konnten so unsere Abstellkammer entlasten. Die Duschkabinen in den Wohnmobilen sind eh überbewertet.








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