Montag, 22. November 2010

Tag 13 „Wiedersehen am Fluss“


In der Nacht waren wir in der Tat nicht ganz untätig. Obgleich wir unlängst gelernt hatten, dass man es sich vor dem Zubettgehen nicht auch noch munter einreden sollte des Nachtens aufs Klo zu müssen, wiederholte sich das anfängliche, nächtliche Kletterszenario in jedoch geübter Weise. Außerdem standen wir bei nunmehr regnerischem Himmel so weit vom Klohaus entfernt, dass wir in Jacken und bei Gegenwind die leichte Steigung nehmen mussten. Natürlich erkannten wir erst auf dem Rückweg, dass der Container (ja, Club- Mitglieder sitzen vornehm) in 100 Meter vom Wohnmobil entfernt, ebenfalls der menschlichen Erleichterung diente. Aber was soll man von zwei schlaftrunkenen Mädels erwarten, die sich schon am Abend vorher mental auf die weite Strecke eingestellt hatten!?
Der nächste Morgen begann ebenso trüb wie sich die Nacht schon darstellte. Die Braun-beigen Duschhäuser wirkten ebenso einladend wie man sich Gefängnisduschen vorstellt. Die Duschen waren nicht nur überflutet, überschäumt, sondern auch von Spinnen und Schnaken übervölkert. Und natürlich waren die Duschen alle durch eine gemeinsame Duschrinne verbunden…
Den muffigen Fluten ist man hochwohlabschaumgeboren entstiegen und hätte sogar in Gummistiefeln oder Anglerhosenstiefeln eine Schauma-Fußpilzplantage angesiedelt. Die anderen Damen die der Reihe nach in die Duschräume traten, sahen in ihren Senflaugebatikröcken jedenfalls so aus, als wäre das Gewässer ihr täglich Brot und würde ihnen in ihrem gitarren- und tamborinbegleiteten ewigen Miteinander die größte Freude bereiten.
Land’s End kehrten wir am nächsten Morgen also zeitig den Rücken. Heute sollte erstmalig eine längere Etappe Richtung Norden vor uns liegen. Wir hatten einiges vor; vor allem beabsichtigten wir uns die kleine Hafenstadt Padstow anzuschauen. Und am Nachmittag waren wir bei William zum Tee eingeladen. Indeed! Es sollte tatsächlich ein William in unserem Urlaub auftauchen. Hautnah, live und in Farbe! Ein William, ein Landhaus. „Traum eines Sommers!“
Zunächst aber erreichten wir Padstow, wo wir, weil man ja nicht unnötig irgendwelche versteckten Bergkuppen auf einem ewigen eineinhalb Meilen langen Fußmarsch durch nie mehr wieder erkennbare Gefilde erklimmen wollte, erstmal mitten in die Stadt hinein fuhren. Parkplätze waren reichlich ausgeschildert und lockten uns unbesonnen in die Fangarme der Altstadt. Das wurde uns aber erst so richtig bewusst, als der Parkplatz unmittelbar am Hafen FULL war. Wir wollten unseren Wagen eigentlich –wie man das eben so kennt- unbeschwert direkt an den Kai stellen, wo wir uns dann ein Eis geholt und uns mit flatternden weißen Sommerkleidern kunstvoll auf einem Bootsanlegepöller drapiert hätten. Der ortsansässige Junior-Lord wäre dann zeitungslesend an uns vorbei geschlendert und hätte sich schon aus den Augenwinkeln heraus unsterblich in uns verliebt, während uns das schmelzende Schokoladeneis unentwegt auf das flatternde weiße Kleid tropft. Allerdings scheiterte dieses Unterfangen an dem flatternden Sommerkleid; das Wetter war ohnehin viel zu trüb und regnerisch…
Wir befanden uns nun im innersten Stadtzentrum, das nirgends einen passenden Stellplatz für unsere Schakkeline bereithielt. Die Panikschweißdrüsen waren schon wieder in Alarmbereitschaft und innerlich wallte schon das Blut in unseren Adern – bei dem Gedanken dass wir uns im durchaus sehr ansehnlichen historischen Stadtkern von Padstow befanden. Es waren nicht nur unsere Augen entsetzt geweitet. Wie gerne wären wir umgekehrt, aber der freundliche Hot Dog Verkäufer wies uns mit einem Brötchen wedelnd darauf hin, dass wir uns in einer Einbahnstraße befänden (mit englischem Brot ist das möglich). Uns blieb also nichts anderes übrig, als durch den Ort zu fahren.
Glücklicherweise erwies es sich nicht als so furchtbar wie zunächst angenommen.
Wir fanden etwas außerhalb einen überfüllten Parkplatz, wo selbst das Sich-auf-die-Lauer-legen völlig zweckfrei war. Ein selbstloser Herr hat uns zu einer Parkmöglichkeit eskortiert, die sich nur ein paar hundert Meter weiter befand und nichts kosten sollte. Wir erwarteten den obligatorischen Haken oder ein später leer geräumtes Wohnmobil, aber nichts dergleichen passierte, während wir durch Padstow schlenderten. Warum in dem Städtchen ausgerechnet an diesem Tag so viel los war, hat sich uns nicht erschlossen. Unser nächstes und eigentliches Ziel war das Anwesen „Prideaux Place“, welches sich ebenfalls gefühlte eineinhalb Meilen den Berg hoch erstreckte. Aber wer kennt dieses Haus nicht?! Entweder ist es ein Hotel oder das traute Heim der Großmutter, die grundsätzlich im Laufe der Geschichte dieses Haus ihrer lieben Enkelin vererben wird, die ihrerseits wiederrum ihren baldig Angetrauten in den Armen der Schwester zu finden pflegt. In Wirklichkeit ist dieses Haus jedoch das traute Familienheim der Familie Prideaux-Brune, welches zu bestimmten Zeiten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Man findet zeitlebens im Wohnzimmer der Familie eine frisch ausgedrückte Zigarettenkippe, einen Laptop auf Standby oder ein fahrlässig auf den Teppich geworfenes Jagdmagazin.  Um 13.30 Uhr nahmen wir an der Führung teil und schlenderten mit einer Gruppe von etwa 15 Personen durch das Haus. Meine Begeisterung angesichts der Geschichte und der Spuren hielt sich kaum in Grenzen, wäre da nicht dieses Deutsches Pärchen gewesen. SIE hat die Hälfte eh nicht verstanden und ER hat der Führerin in regelmäßigen und sehr kurzen Abständen mit einem lauten Hm.Hm.Hm. beigepflichtet, als wüsste er die Familien- und Baugeschichte bereits sein Leben lang auswendig. Es fehlte nur noch eine Tickliste, auf der er die Prüfungsergebnisse der ehrenamtlich angestellten Dame abhakte. Jedes weitere Hm.Hm.Hm. brachte uns mehr auf die Palme und wir sahen uns beinahe gezwungen, seinen Kopf in den verrußten  Kaminschlot zu stopfen.
Wir bewegten uns gemächlich durch das Haus und man erkannte  viele Räume wieder. Edward ist hier ja auch ein regelmäßiger Gast. Genauso wie der John mit der Jenny usw. …
Die Führung war sehr spannend und es kam uns so vor, als hätte die Führerin heute besonders viel Zeit, denn nach einer Stunde waren wir noch nicht einmal im Obergeschoss angekommen. Beunruhigt beobachteten wir die Uhr. Es war vereinbart, dass wir zwischen 15 und 16 Uhr bei William auflaufen würden, wir uns aber vorher noch telefonisch bei ihm melden würden, wann genau er mit uns rechnen könnte.
Während also die Zeit davonrannte, die Gruppe nunmehr im Obergeschoss im großen Saal staunend zur Zimmerdecke hinauf stierte, im Hintergrund ein Dinnerjacket über dem Treppengeländer hing und der älteste Sohn des Hauses den hinteren Flurbereich auf und ab lief, stand ich im vorderen Flur und telefonierte mit Williams Mutter. Sie teilte mir mit, dass William bereits losgelaufen sei um uns zu treffen, damit er uns den Weg zu seinem Hof zeigen kann. Dumm, denn wir standen eben noch in Prideaux Place und etwa 45 Minuten Fahrt von ihm entfernt. Erfahrungsgemäß hat William sein Mobiltelefon auch nicht dabei, weil er es erstens entweder mal wieder verloren hat; oder zweitens, weil es ohnehin nicht funktioniert, da er es eventuell mal wieder hat in eine Pfütze o.ä. fallen lassen. Ist alles schon vorgekommen. Somit war er für uns leider nicht zu erreichen. Die Mutter erklärte sich in leicht genervtem Unterton dazu bereit, mit dem Auto hinter ihm herzufahren und ihn einzusammeln. Großartiger erster Eindruck.
Wir brachen also unvermittelt auf. Natürlich befand sich der Parkplatz mit Schäkki auf der ewigen eineinhalb Meilen entfernten Bergkuppe. Einstimmig befanden wir, dass wir für heute genug Berge erlaufen hatten.
Wir kletterten in unser Vehikel und machten uns auf den Weg zu William in Alternun bei Launceston im nördlichen Cornwall. Um Punkt 16 Uhr liefen wir bei William ein (hervorragend und problemlos gefunden –am Ende einer single track road- wo sonst). An dieser Stelle sei William kurz vorgestellt. Er und ich kennen uns nun seit etwa zwei Jahren und haben uns hier in England, allerdings in Derbyshire, im Kreise unseres „Vereins“ der Young Georgians kennengelernt und hegen seither regen Kontakt.
Er empfing uns in der gemütlichen Wohnküche und goss uns literweise mit Tee und fütterte uns mit seinem selbstgemachten Schokoladenkuchen. Er schlug danach einen Spaziergang durchs Moor vor, um auch gleichzeitig mit Bunty Gassi zu gehen. Wir blickten uns schmerzverzerrt an. Schließlich begleiteten wir Will bei leichtem Nieselregen in Gummistiefeln auf dem Spaziergang durch das Moor, wobei er uns noch mal eben schnell den Hügel hinauf jagte um den scheuen Wildpferdchen Guten Tag zu sagen (die schon galoppierend das Weite gesucht hatten als sie uns sahen), dabei aber selbst immer wieder auf die Uhr schaute, weil er und seine Mutter bald weg mussten. Anstatt auf den Aufstieg zu verzichten und sich auf den ewigen eineinhalb Meilen langen Rückweg zu machen, eilte Will mit großen Schritten allen voran den Hügel hinauf und wollte gleichzeitig noch von uns unterhalten werden. Allerdings ist atemloses Reden und gleichzeitig schnell einen Berg hinauflaufen während man in den Gummistiefeln die Wadenbeine zu entkrampfen sucht, nicht gerade unsere bevorzugte Freizeitbeschäftigung. Um nicht für seine miserable Rede-Lauf-Kondition verurteilt werden zu können, hörten wir lieber auf zu atmen und zu reden und ließen uns stattdessen von William unterhalten. Schwitzend und eine Wochenendseinladung (auch von der Mutter, sie mag uns jetzt doch!) später schäkkelten wir die single track road wieder hoch und fuhren zu unserem letzten richtigen Stellplatz in dem legendären König Artus – Ort Tintagel. Hier mieteten wir uns einen hübschen Stellplatz direkt neben einer Schmutzwasserabführsituation. Allerdings erfreuten wir uns, dass wir den Platz unweit von den richtigen Toiletten hatten. Aber natürlich musste in dieser Nacht keine von uns auf Klo.

PS: (18-17 )+(2- 1½)+ (6-6)


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